Wenn Sie jetzt lachen und fragen, was soll denn diese Überschrift,
bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Bitte lesen Sie weiter.
Mein Name ist Marita Wichterich, ich arbeite als Kriminalhauptkommissarin in der Präventionsdienststelle der Polizei Bonn und betreue seit 2018 mit Herzblut die Sachrate der Seniorenprävention. Es ist mir wichtig, dass gerade Menschen im
Alter 60 plus nicht Opfer arglistig handelnder Straftäterinnen und -täter werden. Ich möchte Sie vor Telefonbetrug durch falsche „Polizistinnen und Polizisten“ warnen, damit Sie nicht das Schicksal der geistig fitten 92-jährigen Auguste R. teilen, von der ich Ihnen hier berichten möchte.
Frau R. habe ich letzte Woche zu einem Gespräch aufgesucht.
Sie lebt allein in der zweiten Etage eines Mehrfamilienhauses. Diese kann sie nur in Ausnahmefällen verlassen, weil sie das Treppenhaus allein nicht mehr überwinden kann. Das Einkaufen erledigen ihre Kinder für sie. Wie betäubt ist Frau R., wenn sie an den Mittwoch vor vier Wochen denkt: Hat sie doch einer falschen „Polizeibeamtin“ ihr im Safe befindliches Gold und ihren Schmuck ausgehändigt. „Auch der ganze Schmuck meiner Großeltern ist nun weg, der über hundert Jahre alt ist und an dem ich so gehangen habe.“ Gegenstände im Wert von über 50.000 Euro und viele ideelle Werte hat sie verloren. Sie fühlt sich ohnmächtig und kann das Ausmaß ihrer Wut auf die Tätergruppe, aber mehr noch auf sich selbst kaum beschreiben.
Wenn Sie von den Anrufen erzählt, fängt sie noch immer an zu zittern. Denn der Anrufer, der sich als angeblicher „Kriminaloberkommissar Braun“ von der Bonner Polizei ausgab, telefonierte über Stunden mit ihr, immer wieder, bis bei Frau R. die anfängliche Skepsis, ob wirklich die Polizei am Telefon war, wich. Stattdessen gelang es dem Anrufer, Angst zu schüren, dass eine Bande, die angeblich schon in
der Nähe eingebrochen sei, auch zu ihr kommen werde. Eine frei erfundene Geschichte, aber sehr eindrücklich und plausibel von dem professionellen Betrüger erzählt. Denn auch der angebliche „Staatsanwalt Breuer“ und der „Vorgesetzte Lewandovski“, alles Mittäter des ersten Anrufers, riefen
Frau R. an und redeten eindringlich auf sie ein. Sie und ihre Wertgegenstände zu Hause seien in Gefahr. Die Polizei wolle sie nur schützen und einen Raub verhindern. Sie müsse sich aber auch helfen lassen, sonst könne man für nichts garantieren.
Zu Beginn zweifelte Auguste R.
Doch der angebliche „Kommissar Braun“ sagte, dass man an einem Tatort in der Nähe einen Rucksack der Täter mit einem Notizbuch gefunden habe, in dem auch die Adresse von Frau R. gestanden habe. Sie sei in großer Gefahr und bedürfe dringend des Schutzes der Polizei. Sie lebe doch allein und habe ja auch wenig Kontakt zur Nachbarschaft – das sei doch so, oder? Der angebliche „Polizist“ fragte also nach ihr und ihrem Befinden. Darüber freute sie sich und beantwortete die Frage. Denn dieser „Kommissar Braun“ war doch so freundlich und zugewandt. Dabei war er ein polizeierfahrener Straftäter. Er wusste genau, was er sagen musste. Er benutzte Wörter, die man mit der Polizei und ihrer Arbeit in Verbindung bringt. Frau R. konnte jedoch gar nicht beurteilen, ob alles wahr war, da sie noch nie in ihrem Leben mit der Polizei zu tun hatte.
Auch die Abholerin, eine angebliche „Polizeibeamtin“ in Zivil, „Frau Kriminalhauptkommissarin Breuer“, der Frau R. ihre Wertgegenstände schließlich aushändigte, war sehr empathisch, aber kurz angebunden. Sie wollte das Haus um jeden Preis schnell verlassen. Schon, dass Frau R. sie sah, wollte sie eigentlich vermeiden. Frau R. sollte Gold und Schmuck in eine Tüte packen und aus dem
Küchenfenster werfen. Das lehnte Frau R. aber ab: Dann gehe ja der ganze Schmuck kaputt. Also musste die Abholerin in den sauren Apfel beißen und bis in die zweite Etage kommen. Einen Dienstausweis zeigte sie aber nicht. Und Frau R. vergaß auch in der Aufregung, danach zu fragen. „Aber selbst wenn“, sagt sie heute, „ich weiß ja gar nicht wie ein Polizeiausweis aussieht. Ich wünschte, ich hätte vorher eine Informationsveranstaltung der Präventionsdienststelle der Polizei Bonn besucht oder Sie vorher gekannt, Frau Wichterich, dann wäre mir dieser Schock erspart geblieben.“
Auch meine eigene Schwiegermutter ist beinahe Tätern auf den Leim gegangen.
Meine Schwiegermutter hat aber das einzig Richtige getan: Sie hat uns angerufen, bevor sie aktiv wurde. Sie ist glücklicherweise nicht, wie von dem falschen „Polizisten“ aufgefordert, zur Bank gegangen, um Bargeld aus dem Schließfach zu holen oder abzuheben. Sie sollte mit niemandem darüber reden, das hatten die Täter ihr mehrfach eingeschärft, erzählt sie heute. Die Aktion sei eine verdeckte Ermittlung auch gegen Mitarbeitende ihrer Bank, die mit der Bande angeblich
zusammenarbeiteten. Daher müsse sie auf etwaige Fragen von Bankmitarbeitenden ausweichend antworten. Die Täter bereiteten sie genau vor.
Gott sei Dank hat meine Schwiegermutter sich nicht an die Vorgaben gehalten. Es gelang ihr, ihre Angst zu überwinden und wieder klarer zu denken. Im Nachhinein sagte sie mir: „Ich war zuerst wie gelähmt und habe zunächst alle Fragen, die die Täter mir gestellt haben, beantwortet, dann aber aufgelegt, weil das lange Telefonat mir zugesetzt hat.“ Als sie sich etwas beruhigte, habe sie sich
endlich an die Warnkarte der Polizei erinnert, die bei ihr im Bücherregal lag, und gedacht: „Mensch, Klärchen, hättest du die Karte doch nur direkt ans Telefon gelegt. Was ich dem Anrufer alles von mir preisgegeben habe, ich fasse es selbst nicht – und erst dann habe ich dich angerufen…“
Und wenn Sie sich jetzt fragen, ob ich hier für diesen Artikel Geschichten erfunden habe: leider nein. Inzwischen waren Täterinnen und Täter hier in Bonn und Umgebung schon in mehr als zwei Dutzend Fällen als falsche „Polizistinnen und Polizisten“ erfolgreich und haben fast zwei Million Euro ergaunert. Jede Tat ist eine zu viel. Seien Sie also schlauer als die Betrügerinnen und Betrüger, wenn Sie
angerufen werden sollten.
Marita Wichterich, Kriminalhauptkommissarin in der Präventionsdienststelle der Polizei Bonn